Öl-Pipeline EACOP: Uganda, Tansania und Total Energies wollen umstrittenes Mega-Projekt starten

Hintergrund

Eine Resolution des EU-Parlaments Mitte September fordert die internationale Gemeinschaft auf, den Bau der umstrittenen Ölpipeline EACOP in Ostafrika in letzter Minute zu stoppen. Vorangegangen waren Jahre zivilgesellschaftlichen Widerstandes. Zu viel stehe für die Natur und Bevölkerungen auf dem Spiel. Mehr zu den Hintergründen.

Das Europäische Parlament hat in einer Resolution vom 15.09.2022 die internationale Gemeinschaft aufgefordert, größtmöglichen Druck auf die Regierungen in Uganda und Tansania auszuüben, um den Bau einer umstrittenen Ölpipeline in letzter Minute zu stoppen. Ebenso deutlich appelliert das Parlament an den französischen Konzern Total Energies, die Pläne für dieses Mega-Projekt für ein Jahr auf Eis zu legen und nach umweltfreundlicheren Alternativen zu suchen.[1] Das sogenannte EACOP-Projekt würde über 100.000 Menschen von ihrem Land vertreiben. Zahlreiche Grundstücke wurden bereits konfisziert und Häuser zerstört. In Uganda ist das Projekt Regierungssache. Kritiker*innen haben mit Repressalien zu rechnen. Erst 2021 hat Uganda 54 unabhängige NGOs, die zu Meinungsfreiheit und Menschenrechten arbeiten zur Schließung und Einstellung ihrer Tätigkeit gezwungen.

Wofür steht EACOP?

East African Crude Oil Pipeline, oder auch EACOP - Diese fünf Buchstaben beschreiben ein gigantisches Energieprojekt, dass Ostafrika aller Voraussicht nach noch auf Jahrzehnte hinaus beschäftigen wird. Als vor sechzehn Jahren unter dem Lake Albert im Westen Ugandas Öl gefunden wurde, weckte dies in einer der ärmsten Regionen der Welt[2] sehr schnell Begehrlichkeiten nach einer raschen Erschließung dieses fossilen Reichtums. Jedoch nicht ohne Probleme und Konflikte.

Die Ölpipeline soll in Zukunft über oder unter dem Land von schätzungsweise 60.000-117.000 Menschen verlaufen, welche bisher nur spärlich oder mangelhaft entschädigt wurden.[3] Bereits in der Vorbereitung auf den Bau dieser gigantischen Ölpipeline wurden mehr als 7000 Menschen umgesiedelt. Bei einem Öl-Leck wäre die Lebensgrundlage von vier Millionen Menschen bedroht, die auf den Viktoriasee als Fischgrund angewiesen sind.[4] Die Gefahr einer solche Verschmutzung des Wassers durch ein Öl-Leck ist auch deshalb gegeben, weil die Ölpipeline entlang von tektonischen Rissen in einem Erdbebengebiet verläuft.[5]

Ein Ölprojekt im Naturschutzgebiet

Die Fundstelle des Öl-Vorkommens befindet sich am Lake Albert direkt an der Grenze Ugandas zur D.R. Kongo im Murchison-Falls-Nationalpark. Somit wäre EACOP nicht nur das erste Ölprojekt in einem Naturschutzgebiet in Ostafrika.[6] Vielmehr handelt es sich um eine der artenreichsten Regionen Afrikas welche mehr bedrohte und endemische Tierarten beherbergt als nirgendwo sonst auf dem Kontinent.[7] Als Binnenland hat Uganda keinen direkten Meerzugang, weshalb das Rohöl 1,444 Kilometer nach Tanga an der tansanischen Küste transportiert werden soll, um auf dem Weltmarkt verkauft werden zu können. Da das gefundene Erdöl wenig Schwefel enthält ist es sehr dickflüssig und muss daher konstant auf 50 Grad Celsius erhitzt werden, um transportiert werden zu können.

„Energieintegration“ statt Energiewende

Aufgrund dieser Komplexität des Vorhabens betrachten Experten EACOP als eines der letzten großen Ölprojekte seiner Art, bevor die weltweite Energiewende vollends Fahrt aufnimmt.[8] Von einer Energiewende will die ugandische Regierung aber nicht sprechen, vielmehr von einer „Energieintegration“ mit Öl und Gas sowie einem zusätzlich geplanten Nuklearkraftwerk im Buyende-Distrikt im Osten Ugandas.[9]

Die Befürworter des Ölprojektes versprechen bis zu 100.000 neue Jobs und eine Industrialisierung der ugandischen Wirtschaft.[10] Der ugandische Präsident Yoweri Museveni betonte in einem viel zitierten Beitrag im britischen Telegraph, dass alle Länder dieser Erde für die „absehbare Zukunft“ von Öl und Gas abhängig bleiben würden und es eine Ungerechtigkeit sei, dass Länder wie die USA oder Großbritannien angesichts des Kriegs in der Ukraine ihre Förderung von fossilen Brennstoffen erhöhen würden, einem Land wie Uganda dies aber untersagt bliebe.[11] Für westliche Staats- und Regierungschefs sei es in diesen Zeiten einfacher, ambitionierte Klimaschutzziele im globalen Süden durchzusetzen.[12] Energiearmut auf dem afrikanischen Kontinent würde zu verstärkter Abholzung und Umweltzerstörung führen, weshalb die Gewinnung von Erdöl als Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft der Umwelt tatsächlich am Ende nutzen würde.[13]

Es ist wahr, dass der afrikanische Energiebedarf Prognosen zufolge im Jahre 2040 um 30 Prozent höher sein könnte als heute, verglichen mit einem weltweiten Anstieg von nur 10 Prozent.[14] Zudem liegt Afrikas Anteil an der Weltbevölkerung bei etwa 15 Prozent, sein Anteil an den globalen CO2-Emissionen dagegen aber bei nur vier Prozent.[15] Nichtsdestotrotz kann nicht außer Acht gelassen werden, dass EACOP Ugandas jährliche Emissionen um den Faktor Sieben vervielfachen würde und das ostafrikanische Land somit ungefähr so viel CO2 wie Dänemark produzieren würde.[16]

Unternehmerischer Kolonialismus

Doch EACOP ist kein rein ostafrikanisches Projekt. Uganda und Tansania halten jeweils nur 15 Prozent der Anteile an dem geplanten Ölprojekt. 62 Prozent von EACOP liegen in Händen des französischen Ölkonzerns Total Energies sowie acht Prozent beim chinesischen Staatskonzern China National Offshore Oil (CNOOC).[17] Klarheit über die wirtschaftlichen Realitäten des Ölprojekts abseits der großen Versprechen der EACOP-Befürworter schuf spätestens der „EACOP Special Provisions Act“, der im Dezember 2021 vom ugandischen Parlament verabschiedet wurde.[18] So wird Total ab dem ersten Tag des Ölabbaus eine Steuerfreiheit von zehn Jahren gewährt.[19] Zudem wurde in den vergangenen Monaten bekannt, dass die meisten Aufträge für das milliardenschwere Projekt an ausländische Firmen gingen, weshalb lokalen Firmen in Uganda und Tansania beim Bau und Betrieb der Ölpipeline nur eine unterstützende Rolle zukommen wird.[20] So gehen Schätzungen nun davon aus, dass anstelle der angekündigten zehntausenden neuer Arbeitsplätze am Ende der Bauarbeiten wohl nur 3500 bestehen bleiben.[21]

Das Öl ist für den Verkauf auf dem Weltmarkt bestimmt. Die Befürworter*innen versprechen aber den Bau einer vier Milliarden US-Dollar teuren Raffinerie, welche auch für den ostafrikanischen Markt produzieren soll. Allerdings ist Pressemeldungen zu entnehmen, dass die ugandische Regierung große Schwierigkeiten hat, für eine solche lokale Raffinerie die Finanzierung zu sichern - und nun eingestehen musste, dass ein solches Raffinerie-Projekt nicht vor dem Jahre 2027 realisiert werden könne.[22] Kritiker*innen von EACOP befürchten daher mehr und mehr, dass die Ölförderung in Uganda ähnliche Folgen haben könnte wie in Nigeria.[23] Das westafrikanische Land ist leider ein Beispiel für den sogenannten Ressourcenfluch geworden: Wenn Ölreichtum statt Wohlstand eher ausufernde Korruption und in Folge sogar noch mehr Armut verursacht.[24] Aufgrund jahrzehntelanger massiver Umweltverschmutzung durch die Ölförderung liegt die durchschnittliche Lebenserwartung im Niger Delta bei nur noch 41 Jahren.[25] Korruption, Armut, Umweltzerstörung: Für Afrikas größte und weltweit sechstgrößte Exportnation von Rohöl ist der Segen des Ölfundes schnell zu einem Fluch geworden. Und damit ist Nigeria nicht allein. Seit 1980 sind die meisten Länder des afrikanischen Kontinents wohlhabender und friedlicher geworden; jedoch nur die Länder ohne Ölvorkommen.[26]

Legitimierte Zerstörung von Biodiversität

In Antwort auf diese Kritik will der französische Konzern Total sicherstellen, dass die „Natur in einer besseren Situation sein werde als zu Beginn des Ölprojekt“.[27] Erreichen will Total einen sogenannten „net biodiversity gain“.[28] Hierbei verspricht Total, einerseits bei den Bauarbeiten und Bohrungen die Auswirkungen auf den Murchison-Falls-Nationalpark gering zu halten sowie die Natur an anderer Stelle zu schützen, sodass sich unter dem Strich ein „net zero gain“ ergibt. So will Total den „human pressure“ auf den Nationalpark reduzieren, 50 Prozent mehr Park Ranger einstellen und zudem in Zusammenarbeit mit der Uganda Wildlife Authority ein Projekt zur Wiederansiedelung des vom Aussterben bedrohten Spitzmaulnashorns unterstützen.[29] Außerdem sollen Pumpanlagen der Ölpipeline mit Solarenergie betrieben werden und eine weitere Zerstörung der biologischen Vielfalt verhindert werden, indem die lokale Bevölkerung von der lokalen Landnutzung abgehalten wird.

Die Idee hinter diesem in den letzten Jahrzehnten immer beliebter gewordenen Konstrukt des „Biodiversity Offsetting“ ist, dass jedes Stück Natur, das durch ein Industrieunternehmen zerstört wird, an anderer Stelle geschützt oder sogar wiederhergestellt werden muss.[30] „Biodiversity Offset“ Versprechen haben in Uganda aber eine unrühmliche Historie. So wurde als Kompensation für den kontroversen Bau des Bujagali-Wasserstaudammes versprochen, an anderer Stelle „vergleichbar wichtige“ Wasserfälle und Flussufer zu schützen. Nur um wenige Jahre später an dieser Stelle einen weiteren Staudamm zu bauen.[31]

Zudem haben wissenschaftliche Studien festgestellt, dass die Effektivität sogenannter „No net loss biodiversity policies“ nicht bewiesen ist und insbesondere in bewaldeten Ökosystemen zu keinen erkennbaren Erfolgen führen konnten.[32] Die versprochene Kompensation des Verlusts biologischer Vielfalt ermögliche vielmehr insbesondere in ausgeschriebenen Naturschutzgebieten die Zerstörung derselben.[33]

Total stellt sich nicht zuletzt seit seiner Umbenennung zu Total Energies als modernes Unternehmen dar, welches ambitionierte Klimaschutzziele erreichen will. So will der Ölkonzern beispielsweise bis zum Jahre 2050 „net zero emissions“ erreichen.[34] Allerdings betrachten viele diese Aussagen mit großer Skepsis. So wusste Total laut einer neuen Studie dreier renommierter Universitäten seit 1971 über die Folgen des Klimawandels Bescheid und begann daraufhin seit den 1980er-Jahren in der Öffentlichkeit gezielt Zweifel über den wissenschaftlichen Konsensus über die Ursachen der globalen Erderwärmung zu befeuern.[35]

Kräfte der Zivilgesellschaft

In den vergangenen Monaten hat die StopEACOP-Kampagne daher viel Aufmerksamkeit erfahren.[36] Durch öffentlichen Druck ist es lokalen Aktivist*innen in Uganda und Tansania, aber auch jungen Menschen von Fridays For Future oder anderen internationalen Organisationen gelungen, dass sich zwanzig große internationale Banken öffentlich gegen eine Unterstützung von EACOP ausgesprochen haben.[37] So hat zum Beispiel auch die Deutsche Bank, die in der Vergangenheit Total Energies mit Milliardenbeträgen finanziert hat, nach Protesten von Aktivist*innen aus Uganda und Deutschland verlautbaren lassen, dass sie sich an EACOP nicht beteiligen wird.[38] Bedenkt man zudem, dass nicht zuletzt aufgrund des Krieges in der Ukraine die Kosten des Ölprojekts zuletzt um 30 Prozent auf über fünf Milliarden Dollar angestiegen sind[39], wird deutlich, dass die StopEACOP-Kampagne in Zeiten des Pariser Klimaabkommens durchaus Chancen auf Erfolg hat.[40] Befürworter des EACOP-Projektes kritisieren aber die Einmischung amerikanischer und europäischer Umweltschutzorganisationen.[41] Da die Auftraggeber der Pipeline aber über den ganzen Globus verstreut sind, eignet sich EACOP nicht nur sachlich, sondern auch praktisch besonders gut für eine internationale Kampagne.[42] So protestieren junge Klimaaktivist*innen etwa in Frankreich[43] gegen Total Energies oder sprechen im Vatikan[44] bei Papst Franziskus vor.

Beim UN-Klimagipfel 2021 (COP26) versprachen Länder wie Deutschland, Frankreich, das UK oder die USA, bis Ende 2022 direkte öffentliche Unterstützung für internationale fossile Energieprojekte einzustellen.[45] So ist in einer Welt, in der sich die größten Volkswirtschaften angesichts der Klimakrise verpflichtet haben, ihre Emissionen zu senken, die East African Crude Oil Pipeline zu einer Bewährungsprobe für die Erschließung von großen Ölvorkommen im Zeitalter von Net Zero geworden.[46]

Das EU-Parlament fordert nun eine einjährige Baupause, um für die Ölpipeline eine umweltverträglichere Route zu suchen.[47] Doch selbst dann würde die Kritik nicht verstummen. Auch bei einem anderen Verlauf der Pipeline wäre das Hauptproblem dieses milliardenschweren Vorhabens nicht behoben. Denn wie der kenianische Umweltaktivist Omar Elmawi immer wieder betont: „EACOP sieht mehr und mehr nach unternehmerischem Kolonialismus aus.”.[48]


Zum Autor: Adrian Amann ist Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung und studiert Jura in Berlin. Während seines Auslandssemesters in Nairobi beschäftigte er sich intensiv mit der East African Crude Oil Pipeline.


[2] Uganda: 41 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag: https://data.worldbank.org/country/uganda

[19] Siehe Seite 53 des EACOP Special Provisions Act 2021.


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